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Arbeitspferde – ein Imagewandel tut Not

Von Erhard Schroll

 

Die zunehmende Motorisierung der Landwirtschaft in den 1950er Jahren führte dazu, dass praktisch seit über 40 Jahren keine Arbeitsgeräte mehr für den Pferdezug gebaut, geschweige denn verbessert und weiterentwickelt wurden. Der Ersatzteilmangel zwang viele überzeugte Pferdebauern zum Umstieg auf den für sie ungeliebten Traktor. Die Wenigen die schließlich noch übrig blieben, waren gezwungen, auf veraltete Technologie und oft verschlissene Geräte zurückzugreifen. Deren oft „rostiges“ und „klappriges“ Erscheinungsbild bot unfreiwilliger Maßen reichlich Nahrung für die Entstehung des negativen Images des Arbeitspferdes und seiner Manifestierung als Symbol für scheinbare Rückständigkeit.

Diese Entwicklung vollzog sich weltweit in fast allen hoch industrialisierten Ländern. Einzig die Amish-Gemeinden in den USA setzten – aus religiösen Gründen – die Tradition der Pferdearbeit kontinuierlich fort*. Seit Ende der 1980er und verstärkt seit den 90er Jahren, begannen sie in eigenen Werkstätten bewährte Geräte nachzubauen und auch wieder neue zu entwickeln. Die Horse Progress Days wurden ins Leben gerufen, eine jährlich stattfindende Messe für Pferdezuggeräte, die bis heute als Katalisator wirkt und maßgeblichen Anteil daran hat, dass mittlerweile in einigen US-Bundesstaaten eine Pferdeindustrie entstanden ist, die einen Markt von mehreren tausend landwirtschaftlichen Pferdebetrieben mit dem notwendigen Equipment ausrüstet. Viele Containerladungen  mit neuen Pferdegeräten Made in USA sind in den letzten Jahren auch zu uns gekommen und gaben und geben der Bewegung hier neue Impulse und auch Anregungen für Eigenentwicklungen. Mittlerweile gibt es in Deutschland und in vielen anderen Ländern Hersteller und Anbieter von Pferdezuggeräten, die speziell für den Bedarf in Europa entwickelt wurden.

Auf der PferdeStark  - Europas bedeutendster Veranstaltung für den modernen, zeitgemäßen Einsatz von Arbeitspferden - werden alle zwei Jahre die neuesten Geräteentwicklungen vorgestellt und von tausenden Besuchern bestaunt und begutachtet. Alle im folgenden hier abgebildeten Fotos enstanden auf dieser Veranstaltung.

Moderne Pferdezuggeräte

Bodenbearbeitung

 

Das Pflügen ist wohl die symbolträchtigste landwirtschaftliche Arbeit – auch und besonders, wenn sie mit Pferden durchgeführt wird. Überall dort, wo dauerhaft große Kräfte aufgewendet werden müssen, sind die Pferde dem Traktor leistungsmäßig unterlegen. Ganz besonders trifft dies auf die Grundbodenbearbeitung zu. Daran ändert auch die Verwendung moderner Pferdezuggeräte nur wenig. Sie können zwar sowohl den Pferden als auch den Fuhrleuten die Arbeit erleichtern, zu größeren Flächenleistungen tragen sie jedoch nur insofern bei, indem sie durch die Nutzung der Mehrfachanspannung größere Arbeitsbreiten als früher ermöglichen. Gut durchdachte Anspannungstechniken machen es möglich, dass auch große Gespanne mit sechs oder mehr Pferden problemlos von nur einer Person beherrscht werden können. Innovative Neuerungen zielen hier daher im Wesentlichen eher auf die Erhöhung des Bedienkomforts.

Neben einscharigen, Hand geführten Beetpflügen, werden mittlerweile verschiedene Varianten von neuen Aufsitzpflügen angeboten, mechanisch oder hydraulisch bedienbar. Auch für die Bearbeitung großer Flächen stehen geeignete Werkzeuge zur Verfügung, wie zum Beispiel die Zweischarpflüge der amerikanischen Firmen Whitehorse und Pioneer, die auf mittelschweren Böden sechs lebende PS als Zugkraft erfordern.

Mit der in Deutschland traditionell üblichen Zweieranspannung ist die Tagesleistung beim Pflügen deutlich begrenzter. In kleinen Betrieben, im Gemüsebau, in Sonderkulturen, auf empfindlichen Böden oder im Gewächshaus kann jedoch selbst ein Einspänner durchaus Sinn machen und wirtschaftlicher eingesetzt werden, als Handarbeit oder motorisierte Alternativen.

Hack- und Pflegearbeiten
sind die idealen Einsatzgebiete für die Pferde. Hier kommt es weniger auf Kraft sondern mehr auf Geschicklichkeit und Präzision an. Natürlich gibt es auch hierfür mittlerweile wieder eine Vielzahl von Geräten: von einreihigen Hand geführten Hacken bis hin zu mehrreihigen Geräteträgern mit Feinsteuerungen.  Diese Vielfachgeräte verfügen über einen Grundrahmen mit Werkzeugaufnahme, an den über Schnellverschlüsse alle möglichen handelsüblichen Baugruppen wie Hacken, Häufelkörper, Striegel, Sämaschinen usw. angebracht werden können.

Vorderwagentechnik

 

Die Verwendung neuer Materialien, moderner Getriebe und Lager machen Pferdezuggeräte wie sie zum Beispiel für die Heuernte oder zum Streuen von Mist oder anderen Stoffen benötigt werden, heute i.d.R. wesentlich leichtzügiger als ihre historischen Vorbilder. Oft handelt es sich bei den Geräten tatsächlich um Nachbauten, bei denen nun allerdings neuzeitliche Werkstoffe verwendet werden. Mähwerke, Heuwender, Schwader oder Miststreuer lassen sich so bis zu einer bestimmten Größe oder Arbeitsbreite in der Regel problemlos über die eigenen Räder antreiben.

 

Eine relativ neue Entwicklung sind die so genannten „Vorderwagen“: Ein- oder zweiachsige, mit Sitz oder Fahrerplattform ausgestattet Wagen, die den jeweiligen Arbeitsgeräten „vorgeschaltet“ werden. Die schlichten Varianten dieser Wagen verfügen nicht mehr als über eine Anhängekupplung mit der Anhänger oder einfache Geräte gezogen werden können.

Schon aufwändiger sind die Modelle, die über eine eigene Hydraulikanlage verfügen, mit deren Hilfe angehängte Geräte bedient und gesteuert werden können. Die Räder treiben hierbei Pumpen an, mit deren Hilfe Hydraulikflüssigkeit in spezielle Druckspeicher gepumpt und von dort nach Bedarf abgerufen werden kann. Andere verfügen zu diesem Zweck über eine elektrische, Batterie betriebene Hydraulikanlage.

Die großen Vorderwagen verfügen in der Regel über einen zusätzlichen Zapfwellenantrieb und einige zudem gar über eine Dreipunktaufhängung. Die Zapfwelle wird entweder über die Räder oder über einen eigenen Motor angetrieben. Ganz aufwändig konstruierte Wagen verfügen gar über beides und je nach Anforderung und Art des anzutreibenden Anbaugerätes kann wahlweise das eine oder das andere eingesetzt werden.

So oder so stellen diese Art von Vorderwagen einen Kompromiss dar. Mit ihrer Hilfe kann auf Trecker-Standardgeräte zurückgegriffen und diese auch für den Pferdeeinsatz genutzt werden. Bei einer Umstellung muss nicht alles neu gekauft werden, sondern vorhandene Geräte können weiterbenutzt werden. Andererseits erhöhen sich der Energieverbrauch und Zugkraftbedarf.

Die Verwendung von Hilfsmotoren ist nicht unumstritten. Sie ermöglichen jedoch auch die Nutzung von Geräten, die sonst für den Pferdezug nicht geeignet wären, wie zum Beispiel Ballenpressen, Ladewagen, oder gar gezogenen Mähdreschern.  Im Prinzip ermöglichen dem Landwirt kleine Aufbaumotoren auf dem Vorderwagen oder auf den Geräten selbst, mit wenigen Pferden nahezu alle Arbeiten ausführen und auf einen Traktor weitgehend verzichten zu können. Fossiler Treibstoff wird dabei nur beim eigentlichen Arbeitsprozess verbraucht und das nur in geringen Mengen, da für die Fortbewegung des Gerätes kein Motor notwendig ist. Auch können natürlich theoretisch alle derzeit diskutierten Alternativ-Treibstoffe (Pflanzenöl, Rapsdiesel, Ethanol …) auch hier eingesetzt werden. Die Möglichkeiten, die noch in der Pferdetechnik stecken, sind bei Weitem noch nicht ausgeschöpft…

Das zeigen auch die Entwicklungen der letzten Jahre. Heute gibt es bereits Vorderwagen mit bodengetriebener Zapfwelle, mit denen sogar Hochdruckpressen ohne Motor betrieben werden können.

Die Mähwerkstechnik wurde von der amerikanischen Firma I&J nicht zuletzt durch die Verwendung moderner, leistungsfähiger Doppelmesserbalken praktisch revolutioniert. In Zusammenarbeit mit der deutschen Firma ESM (Ennepetaler Schneid- und Mähtechnik) sind Grasmäher für den reinen Pferdezug enstanden, mit denen Arbeitsbreiten von mehr als zwei Metern problemlos möglich sind - selbst mit einem Zweispänner.

Neue Perspektiven

 

Es ist unumstritten, dass das Arbeitspferd als Zug- und Antriebskraft für Maschinen und Geräte unter dem Aspekt Nachhaltigkeit, Ressourcen- und Umweltschutz beispiellos ist und alle derzeit diskutierten „modernen“ Alternativen zur Nutzung fossiler Treibstoffe in ihrer Ökobilanz in den Schatten stellt.

Bleibt der Vorwurf der Unwirtschaftlichkeit. Laut einer Studie der Michigan State University steigt in diesem US-amerikanischen Bundesstaat seit einigen Jahren die Zahl derjenigen, die vom Traktor wieder auf das Pferd umsteigen.

Die Studie belegt, dass unter den dortigen Bedingungen Farmen bis zu einer Betriebsgröße von 60 Hektar mit Pferden oder Mulis mittel- und langfristig betriebswirtschaftlich rentabler geführt werden können als mit Traktoren.**

Die Fähigkeit des Produktionsmittels „Arbeitspferd“, sich selbst zu reproduzieren und „nebenbei“ sogar noch marktfähige Produkte (Fohlen) zu erzeugen, schlägt in der Bilanz äußerst positiv zu Buche. Moderne Pferdegeräte, welche die Pferdekraft effektiver umsetzen und deren Leistungsfähigkeit steigern, steuern ebenfalls zu positiven Betriebsergebnissen bei.
Pferdeeinsatz in der Landwirtschaft – für den ein oder anderen vielleicht doch wieder eine Überlegung wert?

 

*    Ester, Peter: Die Amish People, Düsseldorf 2005
**   Kendell, Chet, PhD.,
Michigan State University: „Economics of Horse Farming“

      in der Zeitschrift „Rural Heritage“, 3/2005.

Weitere Informationen zum Thema: Interessengemeinschaft Zugpferde, AK Landwirtschaft,

Email: landwirtschaft@ig-zugpferde.de

 

Fotos: Erhard Schroll, Peter Tendler

Filme: Erhard Schroll

 

Charlie Pinney († 2007)  - Pionier bei der Entwicklung moderner Pferdezuggeräte in Europa - hat 2004 einen wichtigen Beitrag verfasst über die Arbeit mit Pferden und deren Zukunftsperspektiven. Sein Text ist gleichzeitig ein Appell, der nichts an seiner Aktualität verloren hat: Gebt das Pferd nicht auf!